Donnerstag, 2. Juli 2009

Ein sehr interessanter und guter Text aus der Taz vom 30.Juni 2009:

Der Artikel im Wortlaut:

Grüner Mehrwert
ÖKOWIRTSCHAFT Nicht alle Betriebe leiden unter der Krise. Sozial-ökologische Unternehmen wirtschaften erfolgreicher als rein profitorientierte Firmen

Nur scheinbar sind diese Meldungen ohne Zusammenhang. Die einst so namhaften Großbanken, die als Inbegriff des ökonomischen Sachverstandes galten, sind nur noch mit Staatsgarantien zu retten. Hingegen verkündet eine kleine Bank in Bochum mit dem scheinbar obskuren Namen "Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken" (GLS), "keine Verluste aus der Finanzmarktkrise" zu verzeichnen - was ihr allein in den letzten zwölf Monaten so viel Zulauf brachte, dass ihre Bilanzsumme um 35 Prozent wuchs. Der Autobauer Opel ist nur mit Staatshilfen vor der Insolvenz zu bewahren, und auch der einstige Anlegerliebling Porsche kriselt deutlich. Hingegen melden die deutschen Carsharing-Organisationen: Ihre Kundenzahl wuchs im letzten Jahr um 18 Prozent. Die Firmen, die als ökologische Mobilitätsalternative angetreten sind, haben sich längst zu erfolgreichen Dienstleistern entwickelt - Staatsgeld ist da nicht vonnöten. Der Einzelhandel spricht von einer Krise und nennt 2009 ein "schweres Jahr". Die Biobranche hingegen verzeichnet ein sattes Wachstum - 15 Prozent allein im letzten Jahr. Die betreffenden Unternehmen eröffnen weiterhin neue Filialen, und erst gestern verkündete das Bundeslandwirtschaftsministerium: "Ökolandbau trotzt der Wirtschaftskrise."

Drei Beispiele, die eines gemeinsam haben: Unternehmen und ganze Branchen, die sich in der Vergangenheit gegenüber ökologischen Fragen desinteressiert bis ablehnend zeigten, sind in den Sog der Weltwirtschaft geraten. Jene Unternehmen hingegen, die lange Zeit als Sonderlinge galten, weil sie den finanziellen Gewinn nicht über alles stellen, sondern zugleich ökologisch-soziale Ziele verfolgen, erweisen sich plötzlich als die erfolgreicheren Akteure.
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Ökonomische Überlegenheit

Nehmen wir die genannte Bank, die als GLS-Bank bei ethisch orientierten Anlegern seit Jahren bekannt ist. Mit ihren anthroposophischen Wurzeln verabscheute sie dubiose Derivatgeschäfte schon immer gemäß ihrem Credo: "Mit Geld ist auch Verantwortung verbunden." So finanziert die GLS-Bank ökologische und soziale Wohnprojekte, erneuerbare Energien, Kindergärten und Altenwohnheime - alles grundsolide Objekte, die nicht am Puls der Weltwirtschaft hängen und deshalb auch nicht mit dem amerikanischen Immobilienmarkt implodieren konnten. Spötter diskreditierten solche Prinzipien gerne als "Gutmenschentum", doch die Wirtschaftskrise lehrt nun, dass diese Geschäftspolitik auch ökonomisch der erfolgreichere Weg ist.

So beweist sich derzeit, was Vordenker seit Jahren predigen: Nur wer ökologisch-sozial wirtschaftet, ist auf die Dauer auch ökonomisch erfolgreich. Daher überrascht es nicht, dass die klimaschädlichen Fluglinien rund um den Globus für 2009 Verluste von insgesamt 9 Milliarden Dollar erwarten, während die deutlich umweltfreundlichere Eisenbahn international besser dasteht als je zuvor in den letzten Jahrzehnten. Selbst im Flugzeug- und Autoland USA ist bereits von einem Comeback der Eisenbahn die Rede, nicht von deren Krise.

Parallel dazu verlaufen die Trends in der Reisebranche. Während der Ferntourismus leidet, kommt der umweltfreundlichere Inlandtourismus ungeschoren durch die Krise. Mitunter gedeiht er sogar prächtig: Die Stadt Freiburg, die sich als "Green City" vermarktet, erzielte 2008 einen neuen Rekord bei den Übernachtungen und rechnet auch für 2009 mit sehr guten Zahlen. Entscheidend für den Erfolg ist ganz erheblich das Ökoprofil der Stadt; es ist heute viel Geld wert.

Wohin man auch schaut, quer durch die Branchen trotzen ökologisch ambitionierte Unternehmen und Konzepte der Krise. So auch die Ökostromanbieter: Branchenführer Lichtblick hat erstmals die Kundenzahl von einer halben Million überschritten. Auch die Mitbewerber gewinnen immer mehr Marktanteile - nicht zuletzt deshalb, weil sie ihre Kilowattstunden inzwischen häufig billiger anbieten können als die Kohle- und Atomstromer.

Und schließlich lohnt auch noch ein Blick auf den Immobilienmarkt. Denn auch dort entscheidet die Frage, wie umweltverträglich ein Gebäude ist, zunehmend über dessen Marktwert. Häuser mit gutem energetischem Standard haben die Chance, ihren Wert auch dann zu halten, wenn der Markt durch zunehmende Arbeitslosigkeit im Laufe dieses Jahres weiter unter Druck gerät. Die Altbauten der frühen Nachkriegszeit mit häufig miserablen Energiekennwerten sind vielfach einem rapiden Preisverfall ausgesetzt. Auch hier profitiert, wer frühzeitig ökologisch engagiert war.

Unabhängiges Wachstum

Bleibt also die Frage, welche Konsequenz aus der ökonomischen Überlegenheit der Ökowirtschaft zu ziehen ist. Politisch zuvorderst diese: Staatshilfe für strauchelnde Unternehmen darf es grundsätzlich nur dann geben, wenn die Firmen zugleich auf einen ökologischen Pfad gebracht werden. Denn andernfalls werden sie in wenigen Jahren erneut vor der Pleite stehen. Schließlich muss man davon ausgehen, dass die Krise keine vorübergehende Erscheinung ist, sondern dass sich in ihr die Grenzen des Wachstums manifestieren. Und nur jene Firmen, die auch ohne quantitatives Wachstum der globalen Wirtschaft gedeihen können, werden künftig Erfolg haben. Und das sind - wie man aktuell sieht - häufig Ökoprojekte.

Die Abkopplung vom globalen Finanzmarkt wird auch für den Erfolg von Anlageentscheidungen und von unternehmerischen Projekten immer mehr das entscheidende Kriterium sein. Wer etwa Geld in ein Windrad oder eine Solaranlage steckt, dessen Rendite mag zeitweise unter Mangel an Wind oder Sonne leiden, aber die Erträge werden nicht durch die Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts oder gar durch amerikanische Immobilienkredite bestimmt. Umgekehrt werden Unternehmen und Branchen, deren Erfolg globales Wachstum voraussetzt, das zwangsläufig auf der Ausbeutung der globalen Rohstoffe basiert - siehe Autoindustrie und Luftfahrt -, in den nächsten Jahren noch stärker unter Druck geraten. Die aktuelle Wirtschaftskrise sollte daher für alle Unternehmen Warnung sein: Wer jetzt nicht die Kurve kriegt und seinen Laden nicht auf Ökoeffizienz trimmt, den wird die Krise in den kommenden Jahren hinwegfegen.


Der Autor:
Bernward Janzing
lebt als freier Journalist in Freiburg. Im vergangenen November erschien im Dold-Verlag sein Buch "Störfall mit Charme. Die Schönauer Stromrebellen im Widerstand gegen die Atomkraft". www.bernward-janzing.de