Freitag, 29. November 2013

Warum „Wohlstand für alle“ eine bekloppte Forderung ist?

Wir brauchen nicht Wohlstand, sondern Lebensqualität für alle.

Was ist Lebensqualität?
Lebensqualität ist genug essen zu haben, ein Dach über den Kopf zu haben, Zugang zu Bildung, Gesundheit, Mobilität  und Strom und vor allem eine Akzeptanz meines Daseins als Mensch auf dieser Erde.
Ist irgendeines dieser Aspekte durch Wohlstand für alle abgesichert?
Ich sage Nein, da Wohlstand für alle heißt: Dass die Geldmenge zum Erlangen dieser Aspekte immer weiter steigen muss, da es immer mehr Menschen gibt, die Preise für Nahrung, Mieten, Strom steigen, genauso wie die Bildungsausgaben, Gesundheitsausgaben und Mobilitätsausgaben immer höher werden.

Wie steigere ich eine Geldmenge?
Zum Beispiel durch den Zins und den Zinseszins, durch Vergabe von Kredite, durch einfaches Gelddrucken und vor allem natürlich durch eine Produktionssteigerung des jeweiligen Jahres zum Vorjahr.

Kann diese Entwicklung ewig weitergehen?
Nein, da wir auf einer endlichen Welt leben und viele unserer Ressourcen, die zurzeit noch für die jährliche Produktionssteigerung sorgen, in naher und etwas fernerer Zukunft ausgeschöpft sein werden und wir unsere Produktionssteigerung sehr davon abhängig gemacht haben. Vielleicht dauert dieser Prozess noch 50, 100, 200 oder gar 300 Jahre, aber spätestens dann wird unsere Menschheit sich in einer Kollaps Situation (z.B. eines globalen Verteilungskrieges eines „jeden gegen jeden“) befinden und bis dahin werden die derzeitige Entwicklungen weitergehen, unter den Menschen heute schon leiden und sterben.

Was sind das für Entwicklungen?
1. „Ressourcensicherung“ der sogenannten Industrieländer gegenüber allen anderen Ländern
2. „Ausbeutung von Ressourcen unter menschenopfernden Bedingungen“ (Kohleabbau in China / Südamerika ; Uranabbau (Südafrika, Tansania) usw.)
3. .„Akkumulation von Ressourcen“ (Geldmenge der Millionäre und Milliardäre wird weiter steigen, denn der Zins will es so; Kauf von Wassernutzungsrechte (z.B. Nestle); Riesige multinationale Energiekonzerne (Stromproduktion und Vertrieb).
4.„Kriege/gewaltsame Auseinandersetzungen um Ressourcen“ (z.B. Öl (Bsp. Irak-Krieg ), Kohle (Bergarbeiter Südafrika), Gas (Bsp. Libyen, Syrien, Russland).

Was können wir tun?
1) Unser Geldsystem reformieren! (Zins abschaffen!) / Das heutige Finanzsystem reformieren!!
2) Unser Ökosystem retten! (Dezentraler Ausbau der erneuerbaren Energien! / Raubbau an der Natur verbieten! / Emissionen gewaltig verringern usw.)
3) Ein solidarisches Sicherungssystem der Grundbedürfnisse (Essen + Trinken, sicheres Wohnen, Zugang zu Mobilität, Bildungs-, Gesundheits- und Energieversorgung) errichten! (Weltweit!!!)
4) Fiktionen abbauen bzw. Konstrukte, die uns eine Realität vorgaukeln wollen, wie z.B. es braucht Nationen (Völker), die in Konkurrenz zu einander stehen; es braucht ein absolut freien Markt (Neoliberalismus), der schon für die richtige Entwicklung der Welt sorgt;  oder auch es braucht „homogene Mehrheitsgesellschaften“ in staatlichen Gebilden, die Minderheiten benötigen, um sich zu definieren!
5) Eine neue Identität schaffen, die eines gleichberechtigten Mensch und Weltbürgers, die eine Teilhabe an politischen, wirtschaftlichen und sozialen Prozessen zulässt. 

Dienstag, 26. November 2013

Asylsituation in Schönefeld

Ein Abend in Schönefeld / Leipzig (Sachsen / Bundesrepublik Deutschland) 2013

Ein normaler Novembertag war der 25. November 2013 bis zum Abend gewesen. Es war kalt, aber noch schneefrei. Ich machte mich aber auf, um mit einem guten Kumpel mich durch eine Infoveranstaltung der Stadt Leipzig im Stadtbezirk Schönefeld über eine zeitlich-begrenzte Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende in einem leerstehenden Schulgebäude informieren zu lassen. Ich muss dazu sagen, dass ich weder im Stadtbezirk Schönefeld aufgewachsener noch nun ein Bewohner dieses Stadtbezirkes bin. Ich war aus Interesse gekommen zu hören mit welchen Argumenten Elternvertreter und Anwohner sich so energisch und emotional gegen diese Notunterkunft (Not= da sonst vor dem Winter es kein anderen geeigneten Unterbringungsort gibt) stellen. Ich war sehr erstaunt als ich die „Mahnwache“ (Ja wirklich genau dieser Terminus wurde gebraucht) von Aktivisten der rechtsextremen Partei „NPD“ h, die um 18:00 (also 1 ½h vor der geplanten Infoveranstaltung) vor dem Pfarrhaus der Matthäus-Gemeinde Schönefeld, in deren Kirche die Veranstaltung stattfand, sah. Zwei Spruchbänder zeigten die maximal 25 Aktivisten den gegenüberliegend positionierten Polizisten, die auch beide Seiten absperrten. Der eine lautete: „Bürgerwillen bricht Asylrecht“ und der andere war ein typisches NPD-Transparent (das ich mir nicht genauer angeguckt habe). Ich will einige Worte zu dem ersten Plakat niederschreiben, bevor ich weiter über die Ereignisse. Der Slogan fasst sehr gut zusammen, was die NPD nicht versteht und was sie nicht wahrhaben will. Das deutsche Volk hat aus dem Zweiten Weltkrieg die Lehren gezogen und haben ein Grundgesetz akzeptiert, das politisch Verfolgten Asyl garantiert (vgl. Art 16a Grundgesetz: „(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“) Demnach ist eine Äußerung, dass der Willen von Staatsbürgern der Bundesrepublik Deutschland das Asylrecht brechen könnte, kompletter Quatsch. Außerdem ist die BRD Unterzeichner der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) 1951 und damit auch verpflichtet nach deren Kriterien Asylsuchenden aufzunehmen. Im Übrigen passiert dass in Deutschland sehr, sehr selten, denn nach Art 16a werden nur 2% und nach GFK-Kriterien 14% Asylsuchende angenommen. Das bedeutet, dass 84% aller Asylsuchenden wieder abgeschoben werden oder einen Duldungsstatus erhalten, das heißt, dass bei ihnen keine Rückkehr möglich ist und sie für einen temporären Zeitrahmen in Deutschland bleiben dürfen. Aber zurück zum Abend: Nachdem mein Kumpel und ich uns die „Mahnwache“ der NPD angeschaut hatten, zog es uns sehr zu den „Pro-Asyl“-Lager mit denen wir versuchten rund um die Kirche näher an die NPD-Kundgebung ranzukommen, dass gelang uns nicht, sodass wir vor dem späteren Eingang zur Infoveranstaltung ausharrten. Geschlagene 45min blieben wir in der Kälte stehen, bis wieder etwas passierte. Die „besorgten“ Eltern hatten einen „friedlichen“ Zug mit Kerzen und Fackeln zur Kirche organisiert und zogen auch an uns vorbei. Aus den Mündern flogen Schlagworte wie „Kinderschutz vor Asylrecht“ und „Wir sind keine Nazis“ auf der einen Seite und auf der anderen: „Deutschland ist scheiße, ihr seid die Beweise“, „Wer mit der NPD marschiert, ist ein Nazi“, aber auch inhaltliche Sprüche wie „say it loud, say it clear – refugees are welcome here!“. Nach dem nun auch „normale Bürger“, die weder dem Pro-Asylanten-Lager, dem absolut Kontra-Asylunterkunft-in-Schönefeld-Lager und dem NPD-Lager zuzuordnen sind, anwesend waren, ging es durch eine Sicherheitsüberprüfung in die Kirche, nachdem sich das Pro-Asyl-Lager und die Bürgerinnen und Bürger Schönefelds kam dass inzwischen vermischte Lager aus Kontra-Asylunterkunft-Lager zusammen mit NPD-Aktivisten die Mehrheit der Sitze in der Kirche besetzte. Das wurde schon nach wenigen Minuten deutlich, als der Sozialbürgermeister Fabian (SPD) in seinem wichtigen Eröffnungsstatement gnadenlos ausgebuht und beschimpft wurde („Lügner“ war ein Schlachtruf der mindestens 3x in rhythmischen Wiederholungen ihm entgegen gebrüllt wurde). Auch die anderen Experten und Bürgervertreter, die sich nicht klar gegen die Asylunterkunft stellten, wurden bewusst ausgebuht und beschimpft. Wenn aber das Schlagwort „Angst unserer Kinder“ kam, wurde gejohlt und lautstark geklatscht. Die NPD-Aktivisten müssen sich vor Freude innerlich ins Fäustchen gelacht haben, wie ihre Massensuggestion so gut funktioniert. Mir war es bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht passiert, dass ich so etwas erlebt habe, wie 200 Menschen sich so auf eine Sache eingeschossen haben. Asylsuchende in der Nähe einer Schule führt zu Angst bei Kindern, Gewalt und Problemen. Es wurde zwar auch vielfach funktioniert das Gespräch durch technische Nachfragen und vor allem durch positive Fragen: „Wie können wir den Menschen helfen? Braucht es noch irgendwelches Material? Kleidung usw.? wieder auf ein sachliches Niveau zu bringen. Aber sogenannte Eltern von betroffenen Kinder spielten sich lieber auf, dass sie nicht gefragt worden sein, dass der Bürgermeister keine Ahnung hätte, dass sie das Volk seien und dass Asylsuchende und die Unterkunft nur Angst erzeugen würde. Mir fiel mehrmals auf, dass die Elternvertreter die am lautesten riefen und beleidigende Zwischenrufe machten, die waren, die danach behaupteten 7-8jährige Kinder zu haben. Ich frage mich ganz ehrlich: Wo waren die Kinder, um die es angeblich geht, an diesem Abend? Was sind das für Werte, die ich Kinder übermittele, wenn ich in einer Kirche Menschen beleidige, ausbuhe, nicht ausreden und nicht zuhören lasse? Was nützt es der Gesellschaft zu behaupten, man würde Kinder zur Selbstständigkeit erziehen, aber selber sich von NPD-Aktivisten so instrumentalisieren zu lassen?
Wie gesagt es gab auch sachliche Fragen, auf die die eingeladenen Experten genauso wie auf die provokantesten oder gebrüllten Zwischenrufe sehr ruhig und besonnen antworteten. Meinen größten Respekt gewann an diesem Abend der Sozialbürgermeister Fabian, der wie oben schon beschrieben, sehr viel einstecken musste.
Mehrere Anmerkungen will ich noch machen:
1) Eine Idee kam mir in den Sinn, ob ich mich nicht aus Solidarität einfach mit einquartieren lassen sollte. Ich will wirklich mal erleben, was es bedeutet in einer solchen Gemeinschaftsunterkunft zu leben und drum herum werden aus meiner Sicht unbegründete Ängste geschürt und eigene Konflikte der Eltern auf den Rücken der Kinder ausgetragen? Z.B. Abmeldung aus einer Schule, in der man 1, 2 oder 3 Jahre schon mit anderen Kindern gelernt hat.
2) Werden Sozialausgaben, wie z.B. für marode Schulen, wie die Nachbarschule von der Notunterkunft für die Asylanten, immer gegen Ausgaben für Asylsuchende ausgespielt. Ich sage euch falls ihr eine bessere gesellschaftlichen Prozess in Gang bringen wollt, der zur Renovierung von Schulen führt und zu einer besseren Sozialinfrastruktur, dann müsst ihr schlicht und einfach die Parteien in den Bundestag bzw. an die Regierung wählen, die ein konkretes Finanzierungskonzept haben, genau für diesen Bereich haben Grüne, Linke und SPD die sogenannte Reichensteuer und die Erhöhung des Spitzensteuersatzes gefordert.
3) Verdirbt die Frage der Geldverteilung nach wie vor die Gesellschaft und sie wird auch unsere moderne Gesellschaft zerstören. Es ist nur eine Frage der Zeit, wie lange wir umfassende Verteilungs-Kriege noch in die Zukunft schieben können!
4) Bin ich froh, dass mein Kumpel (ein in Schönefeld aufgewachsener) sich nach der Infoveranstaltung bewusst geworden ist, dass eine Positionierung Not tut und dass er sich wörtlich „geschämt hat ein Schönefelder zu sein“.
5) Wie stark nationale und ultranationale Gefühle noch in den Köpfen vieler Menschen in Deutschland sind, war mir schon letzte Woche (26.11.) bei der ersten Kundgebung (300 Kontra-Asyl, 500 Pro-Asyl), aber wie sehr sich anti-solidarische, anti-staatliche und anti-tolerante Einstellungen in der Bevölkerung finden lassen, wurde mir erst heute klar. Ich bin erschreckt und war in nicht wenigen Minuten kurz vorm innerlichen Kollaps! Zum Glück beruhigten mich meine beiden Banknachbarn, sodass ich nicht meinen Kopf verlieren musste.

6) Das Plädoyer der Gemeindepädagogin an die Eltern, die sich in diesem Moment so vehement für ihre Kinder einsetzen, doch ihre Energie dazu zu nutzen, die Gewalt abzubauen, anstatt durch Schüren von Ängste neue Gewaltpotentiale zu schaffen, beeindruckte mich sehr!
7) Unglaublich fand ich auch wie die beiden Pfarrer der Gemeinde noch in ihrem Schlusswort nicht die emotional aufgeladene, menschenunwürdige bzw. sogar menschenverletzende Stimmung geißelten, sondern positiv die bekommenden Informationen bewerteten, den standhaften Experten dankten und mit einem Appel für eine gemeinsame Bewegung für den Stadtbezirk Schönefeld mit den Asylanten und nicht gegen sie endeten.

Alle Angaben in diesen Artikel sind vom Autor geprüft worden und alle Zitate gekennzeichnet worden. Insgesamt versuchte dieser Artikel, obwohl der Autor sehr emotional aufgewühlt ist, möglichst objektiv den Abend zu beschreiben und die Leserinnen und Leser in einer Meinungsbildung zu unterstützen, sie ihnen aber nicht aufzudrücken.

Ps: Dem Autor liegt eine über 90minütige Aufnahme des Abends vor, die er bei Bedarf auch weitergeben wird, da er sie selbst erstellt hat!