Sonntag, 30. Mai 2010

Noch ein Post!!!

Heute will ich noch einen wunderbaren Text für euch reinstellen, den Marie Veit (Lehrerin von Dorothee Sölle) über die "Religion der Bild-Zeitung" (veröffentlicht in verschiedenen Werken im Jahr 1988 und 1992) geschrieben hat:

"Wie könnte ein Credo der Bild-Zeitung aussehen? Vielleicht etwa so:

Präambel(geheim)
Ich glaube,
dass das auf Konkurrenz gebaute System
von Wirtschaft und Gesellschaft
das Beste ist auf Erden.
Natürlich nicht für alle,
nur für die oben,
aber auf die kommt es an.
Deshalb müssen die Vielen veranlasst werden,
sich mit dem Glück der Wenigen abzufinden,
nicht zähneknirschend (das schlägt leicht um in Zorn),
sondern bereitwillig, bewundernd und begeistert.
Sie müssen sich identifizieren!
Deshalb lehren wir sie zu glauben: (ab hier nicht mehr geheim)

Artikel 1
Glück ist verdient.
"Nur die Besten kommen ganz nach oben."
Und deshalb hat, wer oben ist, auch recht.

Artikel 2
Jeder kann, wenn er tüchtig ist, auch nach oben kommen.
Es liegt nur an ihm oder ihr.
"So wird man Weltstar", werden wir sie lehren.
So wird ihr Streben nicht darauf gerichtet sein,
dieses System von "oben"/"unten" abzuschaffen,
sondern zu denen oben zu gehören.

Artikel 3
Gelingt es nicht
(es wird nur wenigen gelingen),
so lehren wir als erstes, Rückschläge hinzunehmen,
das Ziel nicht aufzugeben.
Wir zeigen Vorbilder, die es nach schweren Zeiten
geschafft haben, nach oben durchzudringen.

Artikel 4
Des weitere lehren wir,
besorgt zu sein um jene Güter,
de auch die unten haben oder haben können:
Gesundheit, Hausstand, Auto, Geld und Hobbies.
Für alles das, so lehren wir,
ist bürgerliche Ordnung unerlässlich.
Sind sie damit beschäftigt,
die kleinen Gefahren abzuwehren,
die diesen ihren Gütern drohen können,
so sind sie abgelenkt von jenen großen,
die wir im Interesse des Systems
teils vorbereiten (wie den Krieg);
teils schon realisieren (wie Krieg woanders,
Arbeitslosigkeit, Zerstörung der Natur).

Artikel 5
Die wahren Gründe dieser Katastrophen
sind niemals anzusprechen!
Statt dessen ist der böse Feind woanders anzusiedeln:
Bei denen, die die bürgerliche Ordnung stören,
den Schwulen (denkt an AIDS!), den Lesben;
den Doppelverdienern;
den kleinen Ladendieben und ihren Helfershelfern,
den Kindsmörderinnen und ihren Helfershelfern,
den Sozis nämlich; den Gewerkschaften;
und dann vor allem allein allen wirklichen Linken,
der Sowjetunion vor allem.
Ihr ist auch heute nicht zu trauen.
(Anmerkung von mir: Gut, dass ist zum Glück weggefallen, obwohl sie heute mit der Linkspartei auch wieder ein "Feindbild" haben!)

Artikel 6
Krieg wird, solange er nicht möglich ist, durch
Sport ersetzt.
Vor allem durch Zuschauersport.
Da davon viele was verstehen,
berichten wir ausführlich und genau. (A.v.m: Stimmt sogar, der Sportteil der Bild ist nicht schlecht)
Bewertung, die wir brauchen können, fließt mit ein:
Die Russenangst ("Die Russen Kommen"),
Bemerkungen, die Ostblocktrainer leicht ins
Zwielicht ziehen;
die Flucht von Sportlern in den freien Westen.
Siegen deutsche Sportler, so sind es "unsere" Sportler.
Der einzelne nimmt teil an ihrem Glanz,
Identifikation gelingt.
"Unsere Steffi" (A.v.m.: Hier ist Steffi Graf gemeint, die 1988 Gold im Einzel bei Olympia gewann und zeitgleich alle Grand Slams)

Artikel 7
Da der reale Alltag
mit seinen ganz realen Sorgen für sehr viele
auf diese Weise doch nicht ganz verschwindet
verkünden wir auch Trost und starke Helfer:
BILD kämpft für SIE!
Bei dieser Obrigkeit wird alles besser!
Und: die DM ist so stark, die schafft das schon!
(Ihre Opfer blenden wir aus.)
Damit sich alle daran klammern,
dass dieses System das Beste ist auf Erden.

Ich finde diesen Versuch von Marie Veit sehr bemerkenswert und muss sagen, dass vieles was sie der Bild-Zeitung zuschreibt auch heute noch sehr genau die Bild-Zeitung charakterisiert. Wenn Marx von der "Religion ist Opium fürs Volk" sprach, muss ich korrigieren "die Scheinreligionen sind Opium fürs Volk". Und zu einer der großen Scheinreligionen gehören die Medien, wie die Bild-Zeitung und die Privatsender wie RTL und ProSieben, diese versuchen genau das was im Text beschrieben ist, uns möglichst dazu zu bewegen, nicht an Veränderung des heutigen Systems zu glauben. doch es ist mehr als nötig!

Mit lieben Grüßen
euer Visionaer92

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