Samstag, 25. Januar 2014

Privatisierungsbremse für Sachsen - Petition gestartet

Liebe Leserinnen und Leser dieses Blogs!

Eine Petition ist gestartet, die eine landesweite Privatisierungsbremse in die Gemeindeordnung des Freistaat Sachsens schreiben will. Vielleicht eine Initialzündung für andere Bürgerinnen und Bürger anderer Bundesländer nach zu ziehen. Wir müssen unsere öffentliche Daseinsfürsorge verteidigen!

Hier gehts zur Petition

Hier zu einer ersten Reaktion der Leipziger Internet Zeitung

Anbei die gesamte Erklärung des Initiators(auch als PDF abrufbar):

Worüber beschwere ich mich?

Meine Beschwerde richtet sich gegen das Verhalten der Ratsversammlung des Stadt Leipzig am 22.01.2014, in denen ein rechtlich einwandfreies Bürgerbegehren nicht zu einem Bürgerentscheid zu gelassen worden ist, aufgrund einer Direktive des Landesinnenministerium, die laut Leipziger Volkszeitung, dass der mögliche Bürgerentscheid gegen Sächsische Gemeindeordnung durch die „angestrebte Zweidrittelregelung beim Verkauf von kommunalen Unternehmen“ verstöße. In dem vom sächsischen Innenministerium angesprochenen Paragrafen 39, Absatz 6 steht lediglich das Wort „Stimmenmehrheit“ und nicht das Wort „einfache Mehrheit“ für Entscheidungen des Stadtrates.
„Der Gemeinderat stimmt in der Regel offen ab; er kann aus wichtigem Grund geheime Abstimmung beschließen. Die Beschlüsse werden mit Stimmenmehrheit gefasst. Bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt. Stimmenthaltungen werden für die Ermittlung der Stimmenmehrheit nicht berücksichtigt.“ (§39, Absatz 6 SächsGemO)
Das wäre im Übrigen rechtlich auch ein Widerspruch zu Paragraf 24, Absatz 1, der gerade für das Zustandekommen eines Bürgerentscheids eine Mehrheit von „zwei Dritteln“ des Gemeinderates vorsieht!
„In Gemeindeangelegenheiten können die Bürger und die nach § 16 Abs. 1 Satz 2 Wahlberechtigten über eine zur Abstimmung gestellte Frage entscheiden (Bürgerentscheid), wenn ein Bürgerbegehren Erfolg hat oder der Gemeinderat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln die Durchführung eines Bürgerentscheides beschließt.“ (§24, Absatz 1 SächsGemO)
Außerdem sehen die Paragrafen 28 und 56 auch schon solche Regelungen vor:
„(3) Der Gemeinderat entscheidet im Einvernehmen mit dem Bürgermeister über die Ernennung, Höhergruppierung und Entlassung der Gemeindebediensteten sowie über die Festsetzung von Vergütungen, auf die kein Anspruch auf Grund eines Tarifvertrags besteht. Kommt es zu keinem Einvernehmen, entscheidet der Gemeinderat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Stimmberechtigten allein. Der Bürgermeister ist zuständig, soweit der Gemeinderat ihm die Entscheidung überträgt oder diese zur laufenden Verwaltung gehört.“ (§28, Absatz 3)
„(4) Beigeordnete können vom Gemeinderat vorzeitig abgewählt werden. Der Antrag auf vorzeitige Abwahl muss von der Mehrheit aller Mitglieder des Gemeinderats gestellt werden. Der Beschluss über die Abwahl bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen aller Mitglieder des Gemeinderats. Über die Abwahl ist zweimal zu beraten und zu beschließen. Die zweite Beratung darf frühestens vier Wochen nach der ersten erfolgen.“ (§56, Absatz 4)
Wir sehen also, dass die Argumentation des sächsischen Landesinnenministerium fehl geht, da das Wort „Stimmenmehrheit“ offen lässt, welches Abstimmungsrecht gilt, denn es kann mehrere Dinge bedeuten:
„(1) Einfache Mehrheit der abgegebenen anwesenden Stimmen; 

(2) Mehrheit der gesetzlich vorgeschriebenen Zahl (z. B. Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Bundestags), auch absolute Mehrheit genannt; 
(3) andere Quoren qualifizierter Mehrheiten sind etwa die 2/3- oder 3/4-Mehrheit.“ (Quelle: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/stimmenmehrheit.html)
Es wurde auch kein aufgezählter Punkt des §24, Absatz 2 verletzt. Es wäre über keine „Weisungsaufgaben, Fragen der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung, Haushaltssatzungen und Wirtschaftspläne, Gemeindeabgaben, Tarife und Entgelte, Jahresrechnungen und Jahresabschlüsse, Rechtsverhältnisse der Gemeinderäte, des Bürgermeisters und der Gemeindebediensteten, Entscheidungen in Rechtsmittelverfahren, Anträge, die gesetzwidrige Ziele verfolgen“ abgestimmt worden, sondern lediglich wie 2008 im Bürgerentscheid in Leipzig der Privatisierung ein Riegel vorgeschoben worden und das sogar mit einer Möglichkeit des Stadtrates dennoch Privatisierungen vorzunehmen, eben mit einer 2/3 Mehrheit.

Auch der in §25, Absatz 2 festgehaltene gesetzliche Rahmen wurde eingehalten. Das Bürgerbegehren hatte „eine mit ja oder nein zu entscheidende Fragestellung und eine Begründung enthalten“ sowie „drei Vertreter“ bezeichnet, „die zu Entgegennahme von Mitteilungen und Entscheidungen der Gemeinde und zur Abgabe von Erklärung ermächtigt sind. Das Begehren hatte auch „einen nach den gesetzlichen Bestimmungen durchführbaren Vorschlag zur Deckung der Kosten der verlangten Maßnahme enthalten“, da er kostenneutral war. Also gab es von Seiten der sächsischen Gemeindeordnung keinen zwingenden Grund dieses Bürgerbegehren und damit den Bürgerentscheid für rechtlich unzulässig zu erklären. Dafür spricht auch, dass Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf eine kleine Anfrage im Landtag geantwortet hat: „Über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entscheidet im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung alleine der Stadtrat (§25, Abs. 3, Satz 1 SächsGemO)“( (Quelle: 
http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=13228&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=202)  und mündlich ergänzte er: „Auch die Landesdirektion könne nicht wissen, welche Rechtsauffassung sich durchsetze.“ (http://www.lvz-online.de/leipzig/citynews/trotz-25000-unterschriften-leipziger-stadtrat-lehnt-buergerbegehren-privatisierungsbremse-ab/r-citynews-a-223663.html)
Beide diese Formulierung und die Annahme die 2/3 Mehrheit wäre gegen die Gemeindeordnung wurden in der Ratsversammlung als Argumente für bzw. gegen die Zulässigkeit des Bürgerbegehren ins Feld geführt.  Gerade die Stadträte der Grünen und der SPD stimmten deswegen auch für die Verwaltungsvorlage, obwohl sie betonten, dass sie auch mit der Intention des Bürgerbegehrens sympathisieren! Das hätte die nötige Mehrheit des Stadtrates geschaffen, denn die Linke (17), die vollständig anwesend war, die SPD-Fraktion (14 + Oberbürgermeister Jung) und die Fraktion „Bündnis 90/ Die Grünen“ (11), also insgesamt 43 von 70 Mitglieder. Auch wenn 7 Mitglieder der drei angesprochenen Fraktionen abwesend gewesen wären oder der Verwaltungsvorlage zugestimmt hätten, hätte es also eine Mehrheit von 36 zu 34 gegeben. Außerdem waren aus dem Lager der Bürgerfraktion und der fraktionslosen Stadträte auch Nein-Stimmen zur Verwaltungsvorlage gekommen. 


Was möchte ich mit dieser Beschwerde erreichen?

Der Bürgerentscheid über das Bürgerbegehren muss stattfinden, da er unter falschen Vorzeichen von der Ratsversammlung der Stadt Leipzig abgelehnt worden ist oder bewusst von den Stadträten den Bürgerinnen und Bürger das Recht entzogen worden ist, selbst entscheiden zu dürfen. Dies ist als ein Mangel an Demokratie und einen Missbrauch des Rechtsstaates zu sehen!
Alternativ könnte man dem Vorbild Bremen folgen und eine ähnliche Privatisierungsbremse in die Sächsische Gemeindeordnung verankern!


Wer ist der Adressat der Petition/ der Beschwerde?

Die drei Adressaten sind eindeutig das sächsische Innenministerium als Verwaltung und Exekutive, der sächsische Landtag und alle Stadträte der Ratsversammlung der Stadt Leipzig als Legislative!


Was ist die Begründung für meine Beschwerde und was ist mein Gesetzesvorschlag?

Das Bundesland Bremen ist ein guter Vorreiter meines Anliegens. Durch Gesetz vom 03.09.2013 wurde mit Wirkung vom 13.09.2013 eine „Privatisierungsbremse“ in die Bremische Verfassung aufgenommen. Der neu eingefügte Artikel 70, Absatz 2 zum Gegenstand eines Volksentscheids heißt:
 1Ein Volksentscheid ist außerdem im Fall des Artikels 42 Absatz 4 über ein von der Bürgerschaft beschlossenes Gesetz durchzuführen, wenna) die Bürgerschaft das Gesetz mit weniger als zwei Dritteln ihrer Mitglieder beschlossen hat,b)ein Viertel der Mitglieder der Bürgerschaft die Durchführung eines Volksentscheids beantragt oderc)ein Zwanzigstel der Stimmberechtigten die Durchführung eines Volksentscheides begehrt.
2In diesen Fällen tritt das Gesetz nur bei einem zustimmenden Volksentscheid in Kraft.“
Der angesprochene Artikel 42, Absatz 4 führt dazu aus:
„Eine Veräußerung von Unternehmen der Freien Hansestadt Bremen, auf die die öffentliche Hand aufgrund Eigentum, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann und die
a)Verkehrsleistungen oder Leistungen der Abfall- oder Abwasserentsorgung oder der Energie- oder Wasserversorgung für die Allgemeinheit erbringen,
b)wesentliche Beiträge zur wirtschaftlichen, verkehrlichen oder kulturellen Infrastruktur leisten,
c)geeignet sind, die Verwirklichung des Anspruchs aus Artikel
14 Absatz 1 zu fördern oder
d)der allgemeinen Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern dienen
ist nur aufgrund eines Gesetzes möglich. Ein solches Gesetz tritt nicht vor Ablauf von drei Monaten nach seiner Verkündung in Kraft. Als Veräußerung gilt jedes Rechtsgeschäft, welches den beherrschenden Einfluss der Freien Hansestadt Bremen oder der Stadtgemeinde Bremen beseitigt. Auf kleine Kapitalgesellschaften und auf Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute findet diese Vorschrift keine Anwendung. Gleiches gilt, wenn die Veräußerung bei Entstehen der Beherrschung beabsichtigt war und zeitnah erfolgt.“
Auf Basis dieser Verankerung einer Privatisierungsbremse in einer Landes- und Stadtverfassung und der aktuellen Entwicklung in Leipzig, in denen ein verfassungsrechtlicher einwandfreier Bürgerentscheid von dem Stadtrat aufgrund von Direktive der Landesinnenministerium nicht zugelassen worden ist, schlage ich eine Änderung der Sächsischen Gemeindeordnung vor, um Klarheit in diesem Punkt zu erhalten.

Dazu bedarf es aus meiner Sicht zum Beispiel nur eine Überarbeitung von §39:
Im §39 „Beschlussfassung“ wird im Absatz 6 einen weiteren Abschnitt 2 eingefügt:
„(2) Der Gemeinderat kann einer Veräußerung von Unternehmen, Immobilien, öffentlicher Einrichtungen und Kulturgüter der Gemeinde, auf die die öffentliche Hand, aufgrund Eigentum, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens, der Immobilien, der öffentlichen Einrichtungen und Kulturgüter regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausübt, nur mit einer Mehrheit von 2/3 aller Ratsmitglieder zustimmen.“
Diesen Antrag bringe ich hiermit in den Landtag des Freistaat Sachsen!
Begründung:
Dem weltweiten Kapitalismus muss eine Gemeinde auch etwas entgegensetzen dürfen. Nach den undemokratischen beschlossenen Schuldenbremsen in den Länderverfassungen und im Grundgesetz, sollte es Gemeinden (in diesem Beispiel wollen es ca. 26.000 Leipzigerinnen und Leipziger) solche Regelungen treffen dürfen.

Die beispielhafte Ausformulierung der möglichen Einfügung in §39 orientiert sich an der Bremischen Verfassung und an dem konkreten Vorschlag des Bürgerbegehrens in Leipzig, kann aber gerne noch verändert werden!






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